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Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:15
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Wir hatten das große Glück, dass sich eines Tages Sonja Heiermann an uns wandte und gern ein paar Tage in der Perrera helfen wollte. Eine großartige Sache !!! Und so ist sie am 11.4.2013 nach Valencia geflogen und hat ihre tolle Idee einfach in die Tat umgesetzt und hat sich 12 Tage lang in der Perrera abgerackert !
Sie hat darüber ein "Perreratagebuch" geschrieben - das möchte ich euch nicht vorenthalten (obwohl ich damit zugegebenermaßen schon ziemlich spät dran bin ...):

Tagebuch über 12 Tage Arbeit in der Perrera Villamalea vom 11.3.-22.3.2013 von Sonja Heiermann
Montag, 11.3.
Flughafen Valencia, 14.30 Uhr
Wetter: sehr windig, sonnig, ca.12 Grad
Maria spricht kein Englisch und wenn sie es auf Spanisch versucht, spricht sie mit hilflosen Deutsch-Englisch-Spanisch-Mix-Versuchen so merkwürdig, daß ich es mir doppelt übersetzen muss. Alles in allem sehr lustig. Maria ist ein etwas chaotischer Wirbelwind von Anfang 20, die ständig mit ihren zwei Handys beschäftigt ist, und hat einen ihrer vier Yorkshireterrier mit im Auto. Sie beherbergt zu Hause außerdem noch zwei Labradorwelpen und eine kleine Hündin, die gerade drei frische Junge bekommen hat. Toll, dass sie trotzdem Zeit hat, mich im 160km entfernten Valencia vom Flughafen abzuholen.
Kurz vor Villamalea begeben wir uns daran, einen großen Podenco (Ibicenco)-Rüden einzufangen. Er läßt sich zwar ziemlich schnell auf das Füttern aus der Hand ein, läßt sich auch streicheln, aber einfangen nicht. Er flüchtet sich in ein angrenzendes ca. 6000qm Grundstück, das hoch mit Mauern und großmaschigem Zaun eingezäunt ist. Wir kommen nach einer Weile auch dort hinein, wo eine alte verlassene Finca steht und eine Baracke mit Zwinger zwei süße Retriever-Mischlinge beherbergt. Der Podenco ist uns dreien in Geschicklichkeit und Schnelligkeit natürlich überlegen und wir kriegen ihn nicht, obwohl er auch nicht komplett flüchtet. Einmal huscht er irgendwo durch den Zaun, wo er auch wieder zurückflüchtet, er suchte offensichtlich den Schutz und die Nähe der anderen Hunde. Der Besitzer wird ausfindig gemacht und er kommt mit Verstärkung herbei und läßt die Hunde aus dem Zwinger. Sie toben gleich mit dem anderen Hund, den er noch im Wagen mithatte und eine unklare Situation/Beißerei entflammt. Der junge Spanier ist sofort aggressiv und dabei, dem einen Zwingerhund einen Plastikstock auf seinem Rücken zu zerbrechen, obwohl die Hunde sich längst beruhigt hatten. Vier Erwachsene Menschen stehen dabei und keiner tut was dagegen. Ich war schockiert. Der Hund kroch winselnd vor sein Herrchen und bat unterwürfig um Vergebung. Ich hätte dem Hund eher dafür eine Rüge erteilt und dem Herrchen ordentlich eine reingehauen. Maria sieht freundlich aus und scheint ihn daraufhin anzusprechen. Was sie fühlt, denkt, ist mir nicht klar, sie macht ihm aber deutlich, daß das völlig unnötig war. Immerhin hilft er uns dann, den Findling in den Zwinger zu locken und dort einzufangen. Man muß ihn tragen, da er sich ansonsten verkrampft und mit Halsband und Leine nicht mehr laufen will. Die ganze Aktion hat ca. drei Stunden gedauert.
Der Neue läßt die Fahrt auf der Rückbank nebst quiekendem Yorkshire geduldig über sich ergehen.
In der Perrera angekommen, bekommt er eine Zelle zugewiesen, Futter und Wasser und ein Halsband. Und er bekommt von mir den Namen Milon. Es freut mich, daß ich ihm den Namen geben darf, denn sonst macht das wohl immer Maria, wenn die Hunde nicht schon einen Namen haben.

Ich darf nun alle Hunde mit Namen kennenlernen und die wichtigsten Dinge, wie das Füttern und Wässern mit den Apparaten, sowie welche Hunde welche Medikamente bekommen sollen. Da einige frisch kastriert sind, müssen sie noch Tabletten kriegen.
Die Perrera ist nicht in einem so schlimmen Zustand, wie ich befürchtet hatte, da ich schon ein anderes „Heim“ in Südspanien kennengelernt hatte. Allerdings liegt überall Müll herum und auf den Zwingern liegt allerlei Schutt. Die ca. fünfzehn Hunde aller möglichen Rassen begrüßen uns im Halbdunkeln lautstark, es riecht kaum. Das Außentor zum Gebäude ist offen, sowie einige Fenster, so daß es ziemlich gut belüftet ist, allerdings auch noch ganz schön kalt.

Ich werde zu meiner Unterkunft gebracht und alle zeigen mir, was ich brauche/benutzen kann. Zwei Spanisch-Englisch-Wörterbücher werden mir gegeben, so wie der Schlüssel der Perrera. Ich wohne beim Onkel von Nazaret in der Wohnung, der im gleichen Haus wohnt wie Nazarets Eltern, die den ehemaligen Yorkshire des Bruders aufgenommen haben und im Hinterhof sich Katzen und Hühner halten. Ein Einblick in die Waschkammer meiner Wohnung verdirbt mir ein wenig die Laune: eine einsame Wasserschildkröte in einer blauen Plastikwanne mit einem umgedrehten Teller (vermutlich als Insel gedacht) fristet dort ihr Dasein. Auf dem Balkon lebt eine alte, kranke Katze, der ich besser nicht mit Zuneigung begegnen soll. Diese Widersprüchlichkeit wird mir noch öfter begegnen und werde ich nie verstehen.
Trotzdem, was für eine Gastfreundschaft und Herzenswärme gegenüber einer Fremden!
Da ich von Beruf her Sängerin bin, hatte ich angeboten, ein Konzert zu geben, mit dessen Einnahmen wir noch Spenden für die Perrera erzielen könnten. Nazaret fand das gut, hätte auch sicher geholfen, das zu organisieren. Aber aufgrund dessen, daß ich nur ein Wochenende da war und da ausgerechnet La-Fallas-Zeit in Valencia war, war die Zeit dazu denkbar ungünstig. Da hatte ich schon insgeheim beschlossen, ein privates Konzert als Dankeschön für die Gastgeber zu geben!


Grüße von der Flitzewiese
in memoriam

Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.



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#2

RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:18
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Dienstag, 12.3.
Ca. 10 Uhr
Sehr sonnig, aber kalt. Man braucht Jacke, Schal, Mütze und Handschuhe
Nazaret hat mir einen Perrera-Plan auf Deutsch und Englisch gemacht (Wie, frag ich mich immer noch) und für Maria die gleiche Ausfertigung in Spanisch, so daß wir beide besser kommunizieren können.
Ich bekomme einen Blaumannoverall, den ich über meine Arbeitskleidung ziehe und ein Fahrrad zur Verfügung, mit dem ich die ca. 2 km jeden Tag selber hinfahren kann.
Um ca. 10 Uhr treffen Maria und ich in der Perrera ein. Kurz darauf kommen die 2 Männer von der Stadt, die sich offiziell 2x in der Woche um die Perrera kümmern. D.h. sie machen sauber, füttern die Hunde und bringen auch neues Futter. Wirklich gut sind sie nicht. Außerdem verschwenden sie das wenige Wasser, um den Mittelgang zu spülen, was ich ziemlich unsinnig finde. Denn es ist ein Container mit ca. 500-Litern- das nur alle paar Wochen von extern aufgefüllt wird.
Nicht alle Hunde haben eine saubere Zelle, nachdem die Männer da waren. Und sie kümmern sich auch nicht darum, ob alle Hunde wirklich an ihr Futter in den Raufen rankommen. Wenn man nämlich nicht mit den Händen drin wühlt, rutscht es nicht weiter in die Raufen nach. Auch die Wasserraufen muß man säubern, das abgestandene, chlorige Wasser entwickelt schnell ungesunde Algen und es kommt nur frisches Wasser, wenn das alte raus ist. Wenn man die Pflege der Hunde also den Männern bzw. der Stadt überlassen würde, hätten sie evtl. mehrere Tage kein Futter, würden in mehreren Tagen Exkrementen sitzen und kämen nicht raus! Die spanischen Helfer tun das Beste, was sie nebst Vollzeitjobs schaffen und manchmal mehr!

Maria und ich führen verschiedene Hunde in Gruppen aus und sie zeigt mir ein paar Wege rund um die Perrera, wo man mit den Hunden gehen kann. Zu zweit können wir so auch einige Hunde besser fotografieren, die sonst nie stillhalten würden.
Es ist ca. 5-7 Grad mit sehr starkem Wind, so daß es ganz schön kalt ist. Die Hunde sind natürlich sehr erfreut über die Freiheit. Sie sind ans Pfeifen gewöhnt und folgen uns im ständigen Herumschnüffeln, Markensetzen und in weiten Kreisen um die Weinfelder, die nicht eingezäunt sind. Manche Hunde sind in perfekter Tarnfarbe vor dem Hintergrund der Umgebung. Die blaßgrünen Pinienbäume, die ausgedorrten Rosmarinsträucher und die rötliche Erde der Äcker bieten ein sehr einheitliches Bild. Dazu diese endlose Weite, sanft dahinschwingende Berge und Täler von einigen Städtchen unterbrochen lassen mich verstehen, wo die Hunde herkommen. Hier dürfen sie (laut bürgerlichem Gesetz) frei herumlaufen, die Leute der Weinberge dürfen sich (offiziell) nicht darüber beschweren. Da kaum Autos fahren und hier viele landwirtschaftliche Schotterwege durch Felder und Wäldchen führen, ist es eine gute Umgebung, mit unerzogenen Hundemeuten Gassi zu gehen. Es laufen zwar immer mal Kaninchen irgendwo um ihr Leben, aber unsere Hunde haben sie (bisher) nicht gesehen. Dagegen entflammen sie sich sehr heißhungrig für tote Kaninchenteile, die sie aufstöbern und finden und mit lautem Knacken herunterschlingen. Wir ekeln uns und bei der nächsten Situation passen wir besser auf, daß sie sich keinen Kadaver schnappen.

Für den Nachmittag bin ich von da an allein auf mich gestellt und säubere und reinige erstmal gründlichst, soweit es mir mit den Mitteln und Geräten möglich ist, den Innenhof von sämtlichen Hundehaufen und das Innengebäude von kaputten Hölzern, Plastiktüten, leeren Futterdosen- und tüten, dreckigen Tüchern und Decken. Es ist schon immer mit Hindernissen gespickt: Die Tür im Innenraum zum Holzspäneraum geht nur von Seiten der Hunde auf. Die andere Tür, die von dort nach draußen führt, geht wiederum nur von außen auf, so daß man zusätzlich noch unnötig hin- und hersprintet, bzw. zusehen muß, ob auch kein Hund im Zwischenraum steckt. Natürlich folgen sie liebend gerne sofort alle dorthin und pinkeln wenn möglich überall hin. Die entsorgte Einstreu kommt außerhalb der Perrera auf einen Haufen, was auch jedesmal eine Kunst ist, unbegleitet rauszukommen, denn natürlich ahnen die Hunde im Voraus, daß man dort hinauswill und wuseln dann schon alle um die Karre herum. Ich hätte sie ja auch wegsperren können. Aber so erleben sie was und sie lernen, auf „Kommandos“ zu reagieren und nicht rauszulaufen, was auch immer geklappt hat.
Den Hausmüll stecke ich zum Schutz gegen die Ratten in eine große Transportbox. Leider ist hier kein Müllcontainer, was bedeutet, daß man/wir/die Helfer Abfall selbst irgendwo entsorgen müssen. Das erklärt auch die dreckigen Decken hinter dem Haus, die es sich nicht lohnt, noch zu waschen. Da das Wasser vor Ort im Container und somit rar ist, spüle ich auch die Extra-Fressnäpfe nur aus, wenn es dringend notwendig ist. Es lagen auch sämtliche Holzpaletten im Hof verteilt, alte Teppiche, Hundeboxen,
Dann räume ich noch auf, so daß es alles ein wenig hundefreundlicher und im Innenhof auch mehr Platz und auch etwas zum Sitzen ist. Und einfach auch für mich selbst, da ich die nächsten Tage hier viel Zeit verbringen und mich wohlfühlen will.

Mittwoch 13.3.
Wetter: Eher kalt, ca. 5 Grad, eisiger, sehr starker Wind, bewölkt
Um 9.00 trete ich meinen „Dienst“ an, d.h., ich lasse erst mal einige Hunde aus ihren Zellen, damit sie ihr Geschäft verrichten können und Sozialkontakte mit Mensch und Hund pflegen können. In der Zeit säubere ich die Zellen, streue alle neu mit Holzspäne ein und fülle Futter und Wasser nach. Nebenher werden natürlich immer Hunde geknuddelt und aus den Zellen vertrieben, die ich gerade saubermachen will.
Einige Hunde brauchen Medikamente. Einige haben Hautausschläge, vermutlich Allergien bzw. allergische Reaktionen auf die Streu oder auf ihren Urin oder Ähnliches. Vielleicht ist es aber auch der ständige Luftzug, die Dunkelheit, Feuchtigkeit oder der kalte Betonboden. Außerdem haben die meisten Hunde Dünnpfiff, was sicher stressbedingt ist, da das Futter eigentlich ganz ok. ist.
Barajas hat Hautausschlag im Gesicht, an den Lippen, am Kinn. Aber wie schmiert man einem großen Hund, der nicht eine Sekunde stillhält und einen noch dazu jede zweite Sekunde abschlecken oder anspringen will, die Haut mit Salbe ein?
Kash ist da etwas geduldiger. Er hat wunde Pfoten, bzw. kaum Hornhaut, so daß er nur vorsichtig läuft, bzw. sogar den Spaziergang außerhalb verweigert. Er freut sich über die „Körperpflege“, allerdings leckt er sich dafür die Jodsalbe gleich wieder ab. Natürlich haben fast alle durch die seltene bzw. wenige Bewegung wenig Hornhaut, aber ihm scheint es auch weh zu tun. Er nutzt die Zuwendung und fordert mich zum Kuscheln auf, was ich nicht ablehne.
Anschließend gehe ich mit den einzelnen Gruppen raus. Erst die großen, wilden, die mehr Bewegung einfordern, so wie Gringo, Kash, Pescadilla, Barajas, Lupo. Dann Dana, Nelson, Pocholo. Alle diese Hunde hören zwar nicht wirklich effektiv, aber sie folgen mehr oder weniger und kommen auf Zuruf und v.a. auf Pfeifen. Sie laufen allerdings auch sehr weite Kreise und schweifen oft in unterschiedliche Richtungen, was sehr viel Aufmerksamkeit und Voraussicht erfordert. Aber es macht sehr viel Spaß, diese fröhlichen Horden zu bändigen, sie zu beobachten, bzw. ihnen ein klein wenig den Aufenthalt hier zu erleichtern.
Die dritte Runde mache ich mit der ruhigen und eher ängstlichen Africa, Dorothy und Rati. Ich versuche Africa (irgendwas großes Hirtenhundmäßiges) beizubringen, daß sie nicht an der Leine ziehen soll. Sie wendet sich mir jedes Mal zu und zeigt sich gleich mit großer Geste unterwürfig. Ich hab sie so lieb. Man muß dieses Tier die ganze Zeit streicheln und beschützen. Wer gibt ein solches Wesen, daß so viel Zartheit beinhaltet in so eine Unterbringung??? Natürlich braucht sie Erziehung und eine gute Führung, das hilft ihr, sich zu orientieren bzw. gibt ihr Kraft. Das ist allerdings schwer für sie zu bekommen, wenn sie ständig allein in ihrer Zelle sitzt. Sie tut mir sehr leid. Sie ist noch sehr unsicher und geht eher langsam, schnüffelt nicht und setzt auch keine Markierungen. Dorothy ist leicht an der Leine zu handhaben, sie würde sicher weglaufen, wenn man sie laufen ließe, denn sie ist sehr in die Weite interessiert, ganz Galgo-like. Rati halte ich mehr auf dem Arm als daß ich sie laufen lasse, da ihr rechtes Hinterbein schief ist und sie Behinderungen dadurch hat. Das Getragenwerden gefällt ihr ausgezeichnet.
Die nächste Runde mache ich dann mit Ambar(sieht aus, wie ein französischer Hirtenhund), sie kann auch ohne Leine laufen und freut sich überschwenglich darüber, aus der Zelle zu kommen. Leider beißt sie sich in der Zelle aus Not die Schwanzspitze an und leidet sehr unter dem Bewegungsmangel und auch an dem mangelnden Kuschelkontakt. Sie ist sehr verschmust und wird sofort ganz ruhig und hält genüßlich still, wenn man sie streichelt. Sie schnüffelt unendlich viel, setzt überall ihre Marke und hechtet von einer Richtung vergnügt in die andere.
Als letztes nehme ich Chica an der Leine mit raus, die auf gar keinen Fall mit Ambar zusammenkommen darf, die beiden würden sich sofort zerfleischen. Chica ist der Hund, der am längsten in der Perrera sitzt – laut spanischer Behörde soll sie die Perrera bewachen und da bleiben, was angesichts ihrer Kontaktfreudigkeit und ihrer geringen Anschlagsfreudigkeit ziemlich unsinnig ist. Und da sie in einer Zelle eingesperrt ist, obendrein total uneffektiv. Sie hat sichtlich Schaden davon genommen. Sie ist sehr unruhig und kann sich überhaupt nicht orientieren. Ständig geht sie von einer Seite auf die andere, wenn ich sie versuche, in eine Richtung zu ziehen, ist sie sehr ungelenkig und starr. Sie wirkt dabei aber freudig und freut sich über Körperkontakt, kann jedoch nicht stillstehen. Sie tut mir leid. Eine halbe Stunde Zuwendung (wenn überhaupt!) am Tag. Was hat sie wohl alles erlebt? Hat sie gesehen/miterlebt, wie die Hunde noch getötet wurden? Sie bleibt immer in der Perrera, während andere um sie herum kommen und gehen. Sie kann nicht einfach mal herumlaufen und die Gegend genießen. Was für ein Leben! Ich hoffe, sie findet ein passendes Zuhause!!!
Bis ca. 17 Uhr bin ich in der Perrera, lasse immer wieder so viele Hunde wie möglich im Innenhof laufen, toben, tollen, Leckerlies und Streicheleinheiten abholen, mache immer wieder neue Hundehaufen weg. Barajas und Kash lasse ich die Nacht über im Hof, so daß sie sich hautmäßig erholen können. Jeder Hund kriegt noch eine Knabberstange oder trockenes Brot für die Nacht.
Ich könnte noch den ganzen Abend da verbringen, denn warum soll ich in ein sauberes Bett kriechen, was Schönes essen, gemütlich den Abend verklingen lassen, während hier fünfzehn Hundeseelen in dunklen, engen Zellen sitzen müssen? Aber ich muß essen und Kraft auftanken und ich möchte auch duschen und auf Toilette. Also, bis morgen!
Später zeigt mir Nazaret das Vorratslager der Organisation, wo alle Spenden in Sicherheit und sauber und trocken liegen. Hier gibt es Handtücher in Hülle und Fülle. Sämtliche Operationsbestecke, Verbandsmaterial, Salben, Tabletten, Halsbänder, u.v.m. Ich suche mir noch einiges raus, was wir brauchen können. Nazaret gesteht, daß hier mal Ordnung gemacht werden könnte. Viele Medikamente sind auf Deutsch und sie fragt mich, wofür sie gut sind. – Wir suchen noch nach einer guten Salbe für Barajas und Kash. Kashs Pfoten sollen mit mildernder Salbe eingeschmiert werden. Wir finden einen riesen Pott Vaseline, dazu noch eine jodhaltige Salbe.
Barajas Haut ist nicht gut. Die meisten Salben sind mit Zink oder Jod, eine Art Kyttasalbe oder Pferdesalbe…Ich behaupte zwar, daß ich mich schon ganz gut auskenne. Trotzdem stellt sich immer die Frage, was man nun nimmt. Zwei Spanier, die auch in der Organisation mithelfen, schauen vorbei. Nazaret hat irgendetwas mit ihnen zu besprechen, es scheint nicht so wichtig, daß sie es mir extra übersetzt. So erfahre ich nicht, um was es geht. Im Anschluß gehen wir zu Nazaret und besprechen noch ein paar Sachen, bei Feierabend ist es mittlerweile 23 Uhr. Aber es macht Spaß, zu wissen, daß man den Tag nutz- und sinnvoll verbracht hat. Dafür bin ich hergekommen und ich freue mich, daß meine Hilfe so umfangreich genutzt wird.


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RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:18
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Donnerstag, 14.3.
Ca. 9.30 Uhr
Wetter: wie gestern, fast noch windiger, kalt, aber sonnig
Heute habe ich selbst einige Leckerlis gekauft, solche, die gekaut werden müssen, aber auch einfach Leckereien zum schnellen Verzehr. Ich starte wieder um ca. 9.00 mit dem üblichen Saubermachen, was so ca. 1-2 Stunden in Anspruch nimmt. Kash und Barajas begrüßen mich freudig. Ich lasse noch Milon, Rati, Dana, Lupo, Nelson, Pocholo und Dorothy raus. Einige spielen gleich zusammen, v.a. schnüffeln sie aber an sich herum und wollen sich im Markensetzen überbieten.
Dann sortiere ich noch ein bißchen den Medikamentenkoffer und bürste einige Hunde.

Ich mache Fotos, Videos und beobachte die Hunde, um Beschreibungen auf Deutsch für die Homepage abgeben zu können.
Am Nachmittag gibt Nazaret Bescheid, daß wir mit Rati und Nelson zum Tierarzt müssen. Die Praxis ist genau im Ort. Dummerweise ist diese Ärztin sehr teuer und macht scheinbar kein Entgegenkommen für die Hunde der Perrera. Für die meisten Einsätze wird deswegen eine Tierärztin, die ca. 45km weit entfernt ihre Praxis hat, konsultiert. Gringo und Nelson werden bei Nazaret zu Hause zum Katzentest gebracht. Der stark schieläugige Kater, der aussieht wie eine Ragdoll oder Balinese wird dafür „benutzt“. Er sitzt reglos da, als Nelson an ihn rangeführt wird. Nelson bleibt uninteressiert und brav!
Es ist ca. 17 Uhr und ich soll Nelson und Rati so lang zu mir nehmen, während Nazaret Gringo zurückbringt und wieder zur Arbeit geht. Ich nehme die beiden in meine Wohnung. Sie sind natürlich sehr aufgeregt und verstehen die Situation nicht. Als ich esse, sitzen sie ganz hundetypisch daneben. Ihr mitgebrachtes Körbchen interessiert sie nicht. Sie beschlagnahmen gleich das Bett. Da sie natürlich etwas „schmuddelig“ sind, will ich das eigentlich nicht, aber es läßt sich nicht verhindern und so helfe ich mir mit einigen Tüchern. Da es im Zimmer ziemlich kalt ist, kuschele ich mich unter eine Decke und decke die beiden mit zu. Es ist toll zu sehen, wie sie sich entspannen und die Dreisamkeit und Ruhe der Wohnung scheinbar genießen.
Später beim Tierarzt sind sie ganz cool. Rati geht zum Bluttest und Nelson wird gechipt. Es geht ziemlich schnell. Hinterher redet die Tierärztin noch eine gefühlte Ewigkeit mit Nazaret, natürlich verstehe ich fast nichts. Hinterher erfahre ich, es ging um einen Jäger, der weitere Hunde in die Perrera abgeben will. Scheinbar kann er sie aber bei sich zu Hause lassen, bis ein geeigneter neuer Halter gefunden wird.
Als wir Nelson und Rati zurückbringen, ist es stockfinster und ich hefte meine mitgebrachte magnetische Autolampe an die metallenen Stalltüren…
Hinterher stellen wir noch sämtliche Fotos der Hunde bei Picasa rein, was auch mehrere Stunden dauert, da es doch einige sind. Wie macht Nazaret das nur sonst ohne weitere Hilfe???

Freitag, 15.3.
Ca. 9.00 Uhr
Wetter: weiterhin kühl, aber sonnig
Während ich die Reinigung beginne, tauchen die städtischen Männer auf. Ich überlasse ihnen ihren Job und schnappe mir stattdessen Dana, Lupo, Pocholo und Nelson für eine Radtour. Mir ist eingefallen, daß das doch noch viel effektiver wäre, auch auf dem Hauptschotterweg zu fahren, weil ich dann viel schneller sein kann und wir auch eine größere Strecke fahren können, anstatt sich immer durch die teilweise sehr unebenen Weinfelder zu wurschteln.

Leider erlebte ich dort gleich einen Radsturz, weil ich mich nach einem Hund umschaute und ein anderer gleich meinen Weg kreuzte, weil er das so spannend fand, wie ich da auf dem Rad saß. Da lag ich nun und hatte mir die linke Hand aufgerissen, die rechte verstaucht, Arm und Bein taten auch weh, Overall eingerissen. Nun ja, selbst Schuld. Bei vielen Hunden muß man eben doppelt aufpassen. Ich schimpfte ordentlich in Richtung Hund, als er mir nun auch noch aufhelfen wollte und von da ab, war die Distanz gesichert. Nun muß ich eben mit verletzten Händen weitermachen. Deswegen umkehren fand ich blöd. Die anderen Hunde nutzten die Gelegenheit gleich, das weitere Umfeld zu erkunden und ich mußte mir erstmal wieder Überblick verschaffen, wer wo war. Weil die Weinbauern auch Blaumänner anhatten, dachten die Hunde vielleicht, daß ich das wäre. Dana und Pocholo sah ich ganz am Ende des Feldes bei einem solchen Mann. Ich pfiff und wedelte mit den Armen, die Hunde schienen zu verstehen und kamen in meine Richtung. Ich fuhr ca. 45 min ein relativ zügiges Tempo, erkundete die Wege und war immer wieder erstaunt, wie die Hunde mir folgen, sich zerstreuen, hinterher laufen und wieder gegenseitig sammeln. Das Radfahren tut ihnen gut. Und mir macht es auch mehr Spaß als immer nur ein paar 100 Meter zu Fuß durch die schlammigen Felder zu gehen. Nelson ist erstaunlich schnell und ausdauernd, ich bin baff, was der Kleine alles leistet. Pocholo hält sich eher näher am Fahrrad und Dana weicht mir fast gar nicht von der Seite.
Die zweite Gruppe besteht aus Gringo, Pescadilla, Kash und Barajas. Auch die vier sind sichtlich begeistert, daß ich jetzt ein anderes Tempo anbieten kann, und daß wir auch mal eine andere Strecke erkunden. Pescadilla ist die Wucht. Er läuft vorweg und biegt zusätzlich zum normalen Weg immer noch mehrere Male links und rechts in die Felder ab, um mal eben noch einen Kilometer zusätzlich zu laufen. Manchmal dachte ich, ich hätte ihn verloren und er wäre nun abgehauen. Er ist natürlich auch in bester Tarnfarbe mit seinem Rotbeige. Außerdem ist er so flink und schnell wie eine Rakete, daß man ihn schnell aus den Augen verliert. Mehrere Male sah ich ihn dann in über einem Kilometer Entfernung irgendwo herumschnüffeln. Oder er tauchte ganz plötzlich von einer ganz anderen Seite wieder auf und kam durch das Weinfeld zurückgerast. Die anderen schauten auch immer nach ihm, folgten ihm aber nie so weit. So schnell waren sie nicht. Gringo blieb gerne in der Nähe des Fahrrads, Barajas nutzte die Gelegenheit, um Kash anzuspielen. Kash war der langsamste, sicher auch wegen seiner Pfoten, obwohl er keine Schmerzen mehr zu haben schien. Barajas folgte in Situationen, wo er nicht sicher war, wem er nun am besten folgen sollte, weil ich z.B. die Richtung geändert habe, doch immer mir und zog damit auch die anderen mit. Eine schöne Gruppendynamik.

Nach meinen Radtouren (Ambar bekommt eine eigene) bin ich erstmal kaputt, denn es ist schon anstrengend, v.a. wegen der ständigen Aufmerksamkeit, die ich den Hunden zollen muß, während ich extrem aufpasse, daß ich nicht nochmal hinfliege was bei den unebenen Wegen und zwei schmerzenden Handflächen und extrem blendender Sonne nicht immer ganz leicht ist. (Dummerweise hatte ich keine Sonnenbrille mit – es war ja Frühling!)
Am besten fährt man auch immer vor den Hunden, dann müssen sie dem Radfahrer folgen und nicht umgekehrt. Aber es ist ein ausgeglichener Wechsel und macht Spaß, sie auch mal von hinten zu beobachten, wie sie alle wie ein Gespann vor mir herlaufen.
Zum Glück ist es so weitläufig hier mit wenigen kleinen Bäumen, so daß man die Wege gut vorauseinsehen kann. Das ist extrem wichtig, um Kaninchen und v.a. Autos eher als die Hunde zu sehen. Nicht nur, daß es natürlich riskant ist, mit vier frei laufenden Hunden, die nicht wirklich hören und schon gar nicht bei Fuß kommen, an Autos zu geraten, so mögen sie Autos v.a. auch noch und wollen am liebsten die Fahrer begrüßen, wenn irgendwo welche parken und in den Weinbergen herumstapfen. Nicht alle Menschen freuen sich allerdings über vier wildgewordene überschwengliche Hunde… Zum Glück verstehe ich ja kaum Spanisch und so ziehe ich so schnell wie möglich weiter, wenn Gringo wieder mal irgendwo jemanden mit seiner aufdringlichen, bollerigen Art unbedingt begrüßen muß. Zum Glück kommen sie aber doch dann gleich, wenn ich zum Weiterfahren anpfeife. In Deutschland hätte man schon ein paar Mal die Ordnungshüter, andere wütende Hunde oder einen Jäger an der Hacke...!

In der Perrera versorge ich erstmal selber meine Hände, Verbandsmaterial und Salben gibt es zum Glück genug. Dann ruhe ich mich bei den ruhigeren Hunden aus und gebe Dorothy, Rati und Milon mitgebrachtes Dosenfutter, weil sie so aussehen als könnten sie es gebrauchen. Natürlich passe ich auf, daß sie sich nicht aus Futterneid bekriegen. Rati wird gerne schnell zickig, was angesichts ihrer Größe natürlich nicht gefährlich ist. Sie zieht drohend die Lefzen, wenn sie sich einen Platz an meiner Seite reserviert hat. Und sobald jemand der anderen Hunde nur in ihre Nähe blickt, werden Gifte verstreut. Ich lach mich tot. Oft machen die anderen Hunde gar nichts. Und selbst wenn Rati nach ihnen schnappt, reagieren die gar nicht. Scheinbar nehmen sie sie nicht für voll. Wenn ich Rati ermahne, ist sie sofort still, knurrt aber im nächsten Moment in eine andere Richtung, wenn hinter ihr ein Hund ankommt. Zum Schießen. Später gehe ich noch mit Dorothy, Rati und Africa spazieren. Diesmal lasse ich Rati selber laufen, sie scheint das sehr zu genießen und sie ist auch ziemlich schnell, auch wenn ihr eines Bein nicht ganz so hinterher kommt.
Da Milon noch gar nicht an Halsband oder Leine gewöhnt ist, bleibt er nur im Innenhof, ohne Spaziergang. Da er sich aber mit allen Hunden super versteht, lasse ich ihn so oft wie möglich raus. Sein bettelndes Hochspringen lenke ich in ein Kommando um und er lernt ziemlich schnell. Er taut immer mehr auf und genießt sichtlich die Gesellschaft der anderen Hunde. Ich rufe ihn so oft wie möglich und gebe ihm Leckerli, damit er sich an seinen Namen gewöhnt und auch mehr Kontakt zu mir (Mensch) hat. Er ist sehr unterwürfig und wenn ich ihn berühre und am Halsband nehmen will, legt er sich gleich ängstlich hin und macht sich steif. Bis heute muß man ihn noch in seine Zelle tragen, wenn er wieder rein soll, da er nicht versteht, daß es nichts Böses ist.
Wieder lasse ich einen Hund für die Nacht im Innenhof, damit jeder mal mehr Auslauf hat. Diesmal Kash, der ja allergisch auf das Streu reagiert, wunde Pfoten hat und deshalb in der nackten, meist total eingesauten Zelle sitzen muß. Auch unter Hunden gibt es sauberkeitsmäßig totale Unterschiede. Manche machen überall hin, andere gezielt in eine Ecke, wieder andere in das Plastikkörbchen. Bei denen mache ich die regelmäßig sauber, gebe ihnen neue. Bei einigen hoffnungslosen Fällen nehme ich die Körbe ganz raus, so daß sie auch mehr Platz in der Zelle haben. Leider ist es bei Kash – wie bei vielen Hunden – nicht sinnvoll, ein Körbchen reinzustellen, da sie dann ihr Geschäft darein – aber auch daneben machen. Sonst könnte man es ja als Klo drin lassen. Bei der geringen Größe der Zelle wäre das aber natürlich verschenkter Platz. Auch die Decken oder Handtücher da drin, halten sie nicht davon ab, reinzumachen. Daher habe ich bei einigen Hunden die Körbchen rausgenommen, oder auch immer wieder ausgewaschen und wieder reingestellt.
So, dann also aufgepaßt, daß Kash nicht wieder durch das Haupttor mit rausflitzt und bis morgen!

In der Zwischenzeit hatte ich mir einen Massagetermin bei einer ansässigen Physiopraxis bestellt. Man höre und staune: für eine Quasi Ganzkörpermassage mit professioneller manueller Therapie anscheinend automatisch inklusive, anschließendem Chillen auf einem elektrischen Massagestuhl in einem Extraraum mit gesenktem Licht und Musik mit einer Gesamtdauer von ca. 1,5 Stunden habe ich sage und schreibe 24,- Euro bezahlt. Der Hammer! In Deutschland zahlt man das für 15 min Standardbehandlung zuzüglich der Kosten, die die Krankenkasse dafür übernimmt…Kann ich nur sehr empfehlen!


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#4

RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:20
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Samstag, 16.3.
9.00 Uhr
Wetter: bewölkt und ab und zu Regen
Als ich mit den Hunden rausgehe, regnet es zum Glück nicht. Da ich heute Nachmittag Freizeit mit Nazaret und Freunden mache, bin ich nur kurz in der Perrera. Dafür kommen später noch mal Maria und die anderen spanischen Helfer.
Als ich in die Perrera komme, ist dort ein neuer Hund, den scheinbar Pedro, der städtische Polizist, dorthin gebracht hat. Er kläfft furchtbar mit sehr hoher Stimme und sehr nervös. Klar, ist ja auch ätzend, dorthin abgeschoben zu werden. Er sieht aus, als wäre er nicht von der Strasse gekommen. Er ist sehr süß, sehr verschmust, mit anderen Hunden ist er sehr dominant und mit Lupo oder Pescadilla geht schnell ein Geraufe los, was ich doch lieber unterbinde und dann ihn bzw. Lupo in seine Zelle zurückbringe, da es doch ziemlich aggressiv aussieht. Er läßt sich leicht führen und ist sehr reinlich in seiner Zelle.

Sonntag, 17.3.
Nachmittag
Wetter: Regen, etwas wärmer. Kein Wind mehr
Nachmittag kurz vor Dämmerung. Nazaret und ich kommen in die Perrera. Die Hunde sind wiedermal in ihren Zellen vertauscht, was irgendwie dumm ist. Es bringt Unruhe. Wenn Hunde in Zellen landen, die vorher nicht gereinigt wurden, v.a. die Wassertränken, ist das natürlich blöd. Oder, wenn andere Hunde darin waren, wird erst recht hingepinkelt oder das Körbchen vollgemacht.
Ein privater Mensch hat seine beiden Pitbullterrier (Rüde und Hündin) für eine Woche gegen Spende dort abgegeben, weil er beruflich unterwegs ist. Warum gibt er sie nicht einem Nachbarn, einem Freund? Laut Nazaret sei das unüblich und auch undenkbar. Die beiden taten mir leid. Obwohl sie potthäßlich waren, waren sie doch herzzerreißend. Allerdings war das ungewöhnliche ohrenbetäubende Gejaule, was eher wie eine Mischung aus Schwein, Gans, Elefant und kreischendem Kind klang, so nervenaufreibend, daß sie die ganze Perrera aufwühlten. Auch der neue Hund ließ sich davon dermaßen anstecken, das nun die ständige Kläffrunde kaum noch zu stoppen war. Die Hündin mußte Tabletten bekommen und der Rüde hat eine Nervenkrankheit, durch die seine Beine nicht so wollen wie er. Ganz herzig, aber auch sehr anstrengend. Noch mehr Hunde, die eine Extrabehandlung brauchen. Und die v.a. ihre Zelle dermaßen vollmachen, daß man die Decken, den Korb und alles immer in die „Vollreinigung“ geben muß. Die Hündin war obendrein so gestresst, daß sie totalen Durchfall hatte. Wenn sie draußen waren, war zum Glück Ruhe und sie turnten ganz niedlich und erleichtert auf der Wiese herum.
Dorothy ließ ich noch mal raus. Sie ist dermaßen anhänglich, daß sie mir auf Schritt und Tritt an der Ferse „klebt“. Gar nicht unangenehm und auf so leise und bescheidene Art, daß es eher Spaß macht. Sie steht oft wie eine Statue neben einem. Außerdem scheint sie es zu brauchen, so daß ich sie nicht wegschicke, auch wenn sie mal im Weg steht. Oft steht sie mit einem Fuß in der Zelle, die ich gerade sauber mache, während Lupo dann jedesmal noch dazwischen funkt. Auch Barajas möchte immer einmal seine Runde um mich herum machen. Er hat mich am Anfang dermaßen überfallen und ist an mir hochgesprungen, daß es richtig körperlich anstrengend war, dem immer standzuhalten. Das hab ich gleich ziemlich energisch abgewehrt und nach 2 Tagen hat er es verstanden. Toll, wie die Hunde sich in so kurzer Zeit und in so ständiger Ausnahmesituation doch entwickeln.
Wir schließen die große Tür zum Innenraum der Perrera und lassen so die Nacht über Ambar im Innenhof, die das am meisten braucht, glaub ich. Feierabend. Es ist ca. 20 Uhr.

Nazaret schickt noch Emails zu den Deutschen Vereinsleuten, kommuniziert mit Maria wegen der neuen Hunde und stellt neue Bilder ins Internet. Nebenbei werden die eigenen Hunde und der zugelaufene Kater versorgt, der, wenn er im Haus ist, in einem Käfig bleiben muß, weil er sonst überall hinmacht. Sie erzählt mir, daß sie im Internet nach einem Labor recherchiert habe, welches besonders günstige Preise für Blutproben anbiete. Sie hatte mit Maria organisiert, daß jemand dann die Blutproben der Hunde direkt in der Perrera entnimmt, was ja logistisch am einfachsten ist. Die Tierärztin, die gerade eine Tierschutzaktion im 20km entfernten Nachbarort an dem Wochenende unternahm, wollte/konnte die 30min nicht entbehren, nicht mal gegen einen Unkostenbeitrag war sie zu überreden, die Blutproben abzunehmen. Es wäre so einfach und unkompliziert gewesen. Ansonsten müßte man ca. 14 Hunde stattdessen irgendwo hinkarren zum Blutabnehmen. Wie ärgerlich. V.a., weil jetzt noch mehr Organisation dazugehört. Maria kannte aber eine Krankenschwester, die sich bereit erklärte, die Proben zu machen. Denn der Termin mußte ja auch in der Hinsicht abgepaßt sein, daß die Proben nicht tagelang rumliegen dürfen, bevor sie ins Labor wandern. Aber in der Woche haben die Tierschützer kaum Zeit und am Wochenende arbeiten entweder die Tierärzte nicht – oder sie wollen nicht! So hat sich aber doch noch eine Lösung gefunden und allen Hunden konnten die erforderlichen Blutproben entnommen werden! Ein Lob an die spanischen Helfer!!!

So ein privates Tierheim läßt sich auch in dieser Hinsicht überhaupt nicht mit einem deutschen Heim vergleichen, weil dort doch meistens die Kommunikation zwischen Stadt/Förderern/Tierärzten geklärt und auch bürokratisch geregelt ist und auch die Finanzfrage irgendwie läuft. Außerdem gibt es eine bestehende und erfahrene Infrastruktur für so etwas.
Dies soll keine Kritik an den privaten Tierauffangstationen sein, sondern eher zeigen, wieviel mehr Arbeit es erfordert und wieviel persönliche unbezahlte Zeit von den Ehrenamtlichen darein gesteckt wird. Auch, weil es natürlich kein offizielles Telefon zum Anrufen gibt, sondern, weil es immer erstmal (zumindest auf der spanischen Seite) bei Nazaret oder Maria auf dem Privathandy landet, die das dann neben ihrem normalen Arbeitstag oder während der Arbeitszeit und v.a. jeden Tag und meistens im Feierabendbereich leisten! Abends werden dann noch mit der deutschen Mannschaft die wichtigen Infos ausgetauscht oder es werden dringend benötigte Angaben zu Hunden weitergegeben. „Hat der Hund schon den Katzentest bestanden?“ „Ist er ein Fundhund?“ „Ist er eher lieb, aufgeweckt?“ „Wann wird er kastriert?“ „Hat er Leishmaniose?“ „Die neue Pflegefamilie will das so schnell wie möglich wissen.“ (…) Ich hörte sie schon beide mal stöhnen, daß sie das doch ganz schön einnimmt und sie sich wünschten, mal nicht so viel Arbeit zu haben. Verständlich - Leider kommen aber ja doch immer neue Hunde.


Grüße von der Flitzewiese
in memoriam

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#5

RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:22
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Montag, 18.3.
Ca. 9.30 Uhr
Wetter: Sonnig, um die 12 Grad, kühler Wind
Ich verbringe den ganzen Tag in der Perrera. Das Wetter ist auch zu schade, um im dunklen spanischen Haus zu verbringen. Die Sonne ist schon richtig kräftig und heiß, wenn nur der sehr kalte Wind nicht wäre…
Ich lasse wieder die großen Hundegruppen raus, so daß sie alle spielen, sich begrüßen können. V.a. aber machen sie erstmal alle in den Innenhof, was natürlich mehr Arbeit bedeutet und auch mehr Dreck, der doch irgendwie liegen bleibt im hohen Gras. Man müßte mal alles dort komplett abmähen und neu wachsen lassen, dann wäre vielleicht alles mal sauber…Oder man müßte sie gleich alle zum Spaziergang mitnehmen, aber dann sitzen sie ja wieder den ganzen restlichen Tag in ihrer Zelle und ich finde, sie sollen so viel Sonne wie möglich bekommen.

Ich verteile mitgebrachte gekochte Nudeln, so daß es keinen Streit gibt. Das gibt es heute nur für eine Gruppe, weil es sonst nicht reicht. Es ist immer wieder interessant, die verschiedenen Charaktere zu beobachten, wie sie mit der Situation umgehen.
Da gibt es eigentlich nur 2 Gruppen:
eine A), die direkt ans Futter geht, die andere B), die sich zurückhält.
Die Gruppe B) kann man auch noch unterteilen in
1.)Einige ziehen sich komplett aus dem Gewusel zurück, sie gehen einfach weg und fressen nur etwas, wenn ich ihnen was hinhalte und die anderen Hunde in dem Moment fernhalte. Dann gibt es solche
2.), die sich abschrecken lassen vom Knurren der anderen und von Napf zu Napf huschen und eventuell noch etwas ergattern, aber meistens zu spät kommen.
Manche kämpfen sich
a) durch Schnelligkeit, andere durch
b) Gewalt oder Lautstärke ans Futter. Wieder andere durch
c) Intelligenz: sie ergattern sich das, worüber sich gerade zwei streiten.

Die Hunde lassen sich in etwa einteilen wie folgt:
Gruppe A.a): Pescadilla, Pocholo, Max, Gringo, Nelson, Milon
Gruppe A.b): Dorothy, Lupo, Rati
Gruppe B.1.c) Nelson, Barajas
Gruppe B.2.: Africa
Gruppe B.2c): Kash, Dana

Das spätere Radfahren mit den Gruppen macht viel Spaß. Es fasziniert mich immer wieder, daß sie den Mensch (mich) von einem Tag zum anderen akzeptieren und mir folgen. Und wenn man zur Perrera fährt, merkt man, daß sie es dorthin zieht, daß sie das als Zuhause ansehen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie Hunde sich so schnell an eine Situation anpassen können. Z.B., daß sie mich als ihren Leithund anerkennen und mir hinter dem Fahrrad folgen, auch wenn die eine Hälfte der Gruppe gerade etwas Spannendes aufgetan hat und nicht gleich mitkommt. In jeder Gruppe gibt es einen „Ausreißer“. In der ersten Gruppe ist es Pescadilla, der natürlich seine großen Kreise zieht und einfach auch durch sein Tempo immer noch Extrarunden nimmt. In der anderen Gruppe ist es abwechselnd Nelson oder Pocholo, die mal von der Strecke abkommen und einen Extraweg einschlagen.
Die Spanier scheint das hier nicht so zu stören. In Deutschland würden die Landwirte schon einen riesen Aufstand machen, wenn auf ihren Feldern viele Hund herumtoben und ihre Geschäfte hinterlassen würden. Noch dazu wimmelt es hier ja eigentlich von Kaninchen. Bis jetzt haben die Hunde sie aber nie gesehen, und sie entkamen immer rechtzeitig.
Ich weite die Radtouren immer mehr aus und erkunde so auch die Gegend. Ich versuche, meine Wege immer danach zu entscheiden, wo man keine Leute trifft, denn dann ist klar, daß die Hunde zu ihnen hinlaufen. Ich fahre meist den Hauptweg hinter der Perrera geradeaus in die Weinberge. Zu einer Seite hin führt ein Weg an einen Abhang, so als wäre da ein Einschnitt. Da ist eine Art Tal und die Landschaft sieht auch irgendwie anders, grüner aus. Wenn man auf dem Hauptweg bleibt, kommen da irgendwann Felder und mehrere kleine Pinienwäldchen. Vorher ist da auch eine Art Wasserstelle in einer Betonkuhle. Vielleicht extra gebaut zur Bewässerung der Felder? Ich weiß es nicht, es sieht relativ unbelastet aus und die Hunde freuen sich riesig über die Abkühlung. Manche Hunde finden einen sehr großen Gefallen am Baden. So v.a. Kash und Ambar. Barajas und Pocholo nutzen auch das kühle Naß. Aber so richtig planschen mit drin herumwühlen und Kopf untertauchen , das machen nur Ambar und Kash. Es ist so herrlich anzusehen! Ich konnte zum Glück einige sehr schöne Momente auf Video festhalten. Die anderen Hunde nutzen das Wasser nur zum Trinken, einige sind scheinbar sehr badescheu, so.z.B. Lupo und Dana.
Mit der zweiten Gruppe fahre ich diesmal noch etwas weiter bis zu einem Olivenhain, wo es sich nett ausruhen läßt. Dana und Nelson sind so erschöpft, daß sie sich sofort hinlegen, hin- und her rollen und ausruhen, während die anderen weiter die Gegend erkunden. Hier bietet sich ein toller Hintergrund für Fotos.

Nach den Fahrradrunden führe ich Africa, Rati und Dorothy aus, die nicht ohne Leine gehen sollen. Von denen ist jede so verschieden im Laufstil und in der Ansprache, daß es manchmal ein wenig anstrengend ist. An einem Feldrand, wo ein paar Steine eine Kante bilden, setze ich mich hin. Kuschelpause. Rati nutzt die Gelegenheit, wiedermal ihre Besitzansprüche an mich zu demonstrieren. Sie stützt sich von hinten mit beiden Vorderpfoten auf meine Schultern, so als würde sie mich umarmen – sie hat manchmal richtig so einen Klammergriff, bei dem man sie nicht so schnell losbekommt. Dann legt sie ihren Kopf ganz dicht an meine Wange, sie suchte förmlich den Körperkontakt.
Was jetzt kam, konnte ich mir natürlich schon ausmalen. Ich ließ es nur zu, weil ich gespannt war, wie Rati nun vorgehen würde. Sie knurrte und bleckte die Zähne haarscharf an meinem Gesicht vorbei nach vorne Richtung Dorothy, die mindestens einen Meter entfernt war. Dann noch Zähnefletschen und Bellen zu Africa. Ich wollte nicht unbedingt ihre Zähne in meinem Ohr hängen haben – man weiß ja nie. Also beendete ich die Vorstellung. Trotzdem war es süß und sehr lustig. Als wollte sie den anderen Hunden unbedingt sagen: „Nein, das ist meine Freundin“. Auch wenn sie in ihrer Zelle ist, will sie nicht, daß andere Hunde davor stehen und reingucken. Also bellt und knurrt sie sehr schnell sehr lautstark und versucht auch, ein bißchen gefährlich zu wirken. Was für ein Hund! Der neue Halter wird seine pure Freude mit ihr haben.

Zwischen den Spaziergängen mit den Gruppen lasse ich so viele Hunde wie möglich raus in den Innenhof, v.a. die, die eher nicht spazierengehen: Max(noch zu neu), Milon(geht nicht an der Leine), Africa(ist sehr scheu und langsam und am Hundeführer orientiert und sollte am besten alle Aufmerksamkeit kriegen) und Rati und Kash,
Milon hat sich schon ordentlich gemacht. Er ist so viel mehr aufgetaut und kommt bereitwillig, schwanzwedelnd, freundlich, ohne sich gleich zu unterwerfen. Und wenn doch, ignoriere ich das gleich wieder und er traut sich dann noch näher ran. Er reagiert schon ganz gut auf Ansprache und seinen Namen und kommt begeistert an, wenn ein Leckerli zu erwarten ist…Trotzdem hat er immer noch Angst und macht sich klein, wenn man ihn am Halsband nimmt. Obwohl er mit guter Zusprache und Andeutung mit dem Leckerli diese Angst und das Unwohlsein darüber rauch schon vergessen hat. Es wird so schnell und deutlich besser! Ich mache ihm ein Geschirr um, woran er sich gewöhnen soll. Es ist vielleicht zu früh, aber er soll ja irgendwann auch mal nach Deutschland.

Als letztes gehe ich heute mit Chica. Sie bekommt einen kurzen Spaziergang, einfach, weil ich nicht mehr so viel Kraft habe und weil es sehr anstrengend ist, mit ihr spazieren zu gehen. Sie merkt nicht, was so eine Leine ausmacht. Sie rennt wieder hektisch von einer Seite zur anderen, meistens drängt sie sich dann dicht an einen dran, so daß man nur mit dem Sortieren der Leine und damit beschäftigt ist, sie vorwärts zu bewegen. Trotzdem ist sie irgendwie süß. Anhänglich und lieb. Sie tut mir einfach leid. Sie sollte viel mehr Auslauf haben. In ihrer Zelle „webt“ sie ein immer bißchen hin – und her wie ein Pferd, wenn man hingeht, die Frage ist, wie sie sich verhält, wenn man nicht da ist. Ich lasse sie heute im Innenhof raus. Morgen werde ich so früh wie möglich kommen, damit – falls die Männer morgen früh kommen – nichts schief geht. Es zieht immer noch ganz schön wie Hechtsuppe hier. Ich lege ein paar Decken in eine Ecke und stelle etwas Wasser hin. Dann verschließe ich die große Tür zum Innenraum, so daß sie den ganzen Hof für sich hat.

Abends stellen wir wieder Bilder von den Hunden ins Internet, ich habe Berichte über sie an Karin gesendet, Nazaret kommuniziert mit einigen Leuten wegen den neuen Hunden, die kommen sollen. Der Jäger, der seine Hunde abgeben will, es muß einiges geklärt werden mit Impfungen, Krankheiten-Tests, Kastration usw. Das sind viele Arbeitsschritte und organisatorische Dinge, die berücksichtigt werden müssen. So z.B. die Fahrt zum Tierarzt, der ca. 40km entfernt liegt. Fährt man mit einem Hund hin, sollte man gleich mehrere mitnehmen, um sich sämtliche Fahrten und Zeit und Geld zu sparen. Aber wie transportieren? Hier hat niemand extra einen Lieferwagen für die Perrera, wobei das praktisch wäre. In Spanien ist es eigentlich Pflicht, einen Hund im Auto in eine Box zu stecken. Erstens haben wir dort nicht so viele Boxen, zweitens passen große Hunde besser ohne Box ins Auto und drittens passen mehr Hunde ins Auto ohne Box. Die Mädels riskieren also auch ständig eine verkehrsrechtliche Strafe…


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#6

RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:22
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Dienstag, 19.3.2013
Ca. 9.30 Uhr
Sonnig, wenig Wind, ca. 12 Grad

Als ich die Perrera betrete, sehe ich, daß die Männer schon da waren, weil Chica in einer Zelle sitzt. Aber wann waren sie da? So früh? Und dann so schnell fertig? Und wirklich sauber ist es auch nicht überall. Scheinbar machen sie die Zellen nicht unbedingt sauber – eher so nach Gusto, denn einen erkennbaren Grund sehe ich nicht, warum einige deutlich gereinigt sind, andere aber nicht.
Da hatte ich mich so beeilt und dann sind die Männer trotzdem vor mir da gewesen. Ich hoffe, sie waren nett zu Chica.

Heute bin ich große Touren mit dem Rad gefahren. Es war sehr schön, v.a. wenn sie so alle wie Schlittenhunde vor dem Fahrrad liefen oder schon etwas müde hinter mir, mit dem Wissen, daß sie unbedingt folgen wollen. Z.B. Kash, er ist nicht sehr schnell und wenn er irgendwo stehen bleibt, muß er sich ganz schön anstrengend, um uns einzuholen. An der Wassergrube, in der alle auftanken, denke ich: werden diese Hunde, wenn sie nach Deutschland kommen, diese Weite, diese Ruhe und relativ ungestörte Freiheit vermissen? Hier ist so wenig los, wenig Bevölkerung, kilometerweise nur Weinfelder, wohin das Auge blickt…

Mittwoch, 20.3.2013
Ca. 8.30 Uhr
Sonne, relativ warm, ca. 18 Grad
Heute hatte ich nicht so viel Zeit, weil ich Nazaret verabschieden wollte, die heute beruflich nach London mußte. Also beeilte ich mich bei den gewöhnlichen Reinigungstouren und hielt die Innenhofszenarien kürzer.
Bei der ersten Radtour hatte ich heute einen Totenschädel eines Galgos, ebenso ein paar Beinknochen gefunden. Sollte das ein Omen sein?

Bei der letzten Spazierrunde nahm ich Chica, Rati, Dorothy und Africa zusammen, um Zeit zu sparen. Angeblich verstand sich Chica ja nur mit Ambar nicht, also ging ich ruhigen Gewissens los. Bis wir geklärt hatten, wer wo mit der Leine gehen sollte, ohne Vertüdeln, verging eine gute Weile, dennoch verlief alles sehr ruhig. Als wir hinter der Perrera auf den Hauptweg gingen, liefen alle Hunde zumindest brav neben mir her. Hintendrein immer Rati. Nach 30 Minuten, kurz vor Erreichen der Perrera kam ein Auto und ich ging auf einen abbiegenden Feldweg, um genug Sicherheitsabstand zu haben.

Scheinbar ausgelöst durch das Auto fingen Chica (Mastinomix)und Dorothy (Galga) plötzlich eine lautstarke Auseinandersetzung an und zwar ziemlich schnell ziemlich ernsthaft. Das wurde ohne Vorankündigung gleich handgreiflich, kein bedrohliches Knurren vorweg, gleich Beißerei. Es ging rasend schnell, Chica war sofort sehr aggressiv und hatte gleich die Oberhand. Der Fahrer, der sofort helfend herbeieilte, und ich konnten nicht viel machen. Chica hatte sich schon in Dorothys Hals verbissen und war weder durch Ziehen an der Leine, noch durch Treten, Schreien, etc. von Dorothy zu lösen. Diese schrie ganz schrecklich erbärmlich vor Schmerzen, so etwas hatte ich noch nie von einem Hund gehört. Nun sah ich, daß sich auch noch die Leinen der beiden Hunde verwickelt hatten. Wenn ich also versuchte, Chica wegzuziehen, würgte ich automatisch auch die arme Dorothy. Ich ließ also Dorothys Leine los und hielt nur noch Chica fest. Der Fahrer versuchte auch, an Chica heranzukommen, an ihr zu ziehen. Er schlug sie mit einem Stock auf den Kopf, was mir angesichts der schlimmen Situation innerlich gar nicht schwerfiel anzusehen, ich hatte kein Mitleid mit dieser wahnsinnig gewordenen. Sie schien eh nichts zu merken.
Jetzt konnte ich mal live erleben, wie sich ein Kampfhund im Ernstfall verhält. Schmerz- und Denkzentrum sind scheinbar komplett ausgeschaltet. Hinzu kommt eine wahnsinnige Kraft und Ausdauer. Sie ließ in mehreren Minuten überhaupt nicht von Dorothys Hals los. Ich hatte wirklich Angst, Chica würde sie töten. Was tun? Es war schrecklich. Dorothy lag mittlerweile auf dem Rücken und in einer großen Blutlache. Kurz schien es, daß ich Chica losbekäme, da sie müder wurde, doch dann verbiss sie sich auch noch in Dorothys Flanke und riß ein handgroßes Stück Haut von ihr. Irgendwie schaffte es Dorothy, sich anders zu drehen, so daß sie von Chica kurz loskam, zum Glück konnte ich Chica nun so halten, daß sie nicht mehr an Dorothy rankam. Dorothy drehte einige verzweifelte und erschöpfte Kreise um uns herum in ca. 5 Meter Abstand. Die anderen beiden Hunde hatten eingeschüchtert das Weite gesucht, ich sah, daß Rati in kleinem Abstand hinter uns war und Africa völlig verstört längst vor der Tür der Perrera stand war. Die Süße, sie ist einfach zu lieb für diese Welt.

Dorothy hatte ein Halsband und eine Zippleine um, die sie nun hinter sich herzog. Trotzdem gelang es weder mir noch dem Mann, sie zu fassen oder draufzutreten. Sie rannte nun panisch schnurstracks auf die große Straße zu, in deren Richtung der Mann ursprünglich unterwegs war. Er fuhr ihr sogleich hinterher. Dorothy war allerdings schnell und nun war ihr Fell ja auch noch in den besten Tarnfarben: schwarzgrau gestromt, so daß es schwer sein würde, sie in den Weinbergen zu finden…Wir mußten sie finden, sonst würde sie es nicht überleben. Die Wunde am Hals war unglaublich groß und tief, was ich sehen konnte. Ca. 30 cm lang und mindestens 15cm breit und blutete natürlich!

Ich benachrichtigte Nazaret, die so schnell wie möglich von der Arbeit herkam, obwohl sie schon halb auf dem Weg zum Flughafen war. Zum Glückhatte sie stärkere Nerven als ich und war recht zuversichtlich, daß wir Dorothy kriegen würden. Allerdings war sie ja auch nicht dabei gewesen bei dem grausamen Spektakel… Nazaret kannte den Mann. Scheinbar war er der Jäger, der demnächst seine Hunde abgeben wollte. Aber er war sehr nett und hilfsbereit.
Er fuhr mit seinem Wagen noch eine Weile die Gegend ab, Nazaret und ich fuhren andere Wege. Sie hatte Dorothy noch auf ihrer Hinfahrt an einer Stelle gesehen, leider fanden wir sie dort trotzdem nicht. Ich versuchte, meinem inneren Instinkt zu folgen, und in mich reinzuhorchen, wo sie sein konnte. Da ich einen guten Draht zu ihr hatte, konnte das eventuell funktionieren. Bei meinen Katern klappte das immer zu 95%, wenn sie draußen waren, doch diesmal sollte es mir nicht gelingen.

Ein paar Menschen konnten uns schließlich Hinweise geben, wo sie Dorothy gesehen hatten, doch wir fanden sie nicht. Wir sahen nach einer Weile ein paar freilaufende Galgos, von denen wir hofften, daß sie sich Dorothy oder deren Fährte angeschlossen hatten. Doch leider Fehlalarm. Sie gehörten einem Mann, der ein größeres Anwesen hatte, eine Art Lagerhalle und Grundstück, mehrere 1000 Quadratmeter. Er brachte die Hunde in das eingezäunte Grundstück und erklärte uns, daß irgendwo im Zaun ein Loch war, aus dem sie immer wieder herauskamen. Bei unserer nächsten Suchfahrt sahen wir, wie die Galgos wieder durch den Zaun abhauten. Ohne Worte…
Als Nazaret dann doch nach Hause bzw. zum Flughafen mußte, löste Maria sie ab, die eigentlich wegen ihrer Ausbildung unterwegs sein sollte. Maria hatte ihre beiden Yorkshires mit, die nicht gerade für einen klaren Kopf sorgten und nebenbei im ganzen Auto herumpinkelten und -turnten. Sie fuhr recht langsam, was – wie ich fand – nicht gerade hilfreich war, die Gegend effektiv abzusuchen. Ein panischer Hund kann immerhin in kurzer Zeit eine Strecke von mehreren Kilometern zurücklegen und theoretisch konnte Dorothy schon überall und weit weg sein.

Maria sammelte einen jungen Mann auf, der etwas gesehen haben wollte, mit dem sie sichtlich flirtete. Ich verstand nicht, daß Maria jetzt einen Kopf für so was hatte und wäre irgendwann fast geplatzt vor Wut, über diese bescheuerte Situation und darüber, daß ich mich nicht auf Spanisch verständlich machen konnte. Wenn man so starke dringliche Gefühle wie Wut, Angst, Sorge hat und sich nicht im Geringsten äußern kann, ist das schon hart. Es ist richtig ein körperlicher Stress, wenn man Worte, die rauswollen, gar nicht aussprechen kann. Ich war obendrein total genervt darüber, daß Maria kein Englisch konnte, so ließ ich dann doch ein wenig verzweifelte Wörter auf Englisch ab: besser auf Englisch als gar nicht, egal, ob mich jemand versteht oder nicht!
Schließlich trafen wir auf zwei Jogger, die Dorothy samt Leine in einem abgelegenen Wald gesehen haben wollten. Das schien mir unwahrscheinlich, denn der war echt weit weg.
Ich wurde noch wütender. Warum ruft dann hier niemand die Polizei oder den Tierschutz an??? In Deutschland wäre das sicher von irgendwem gemeldet worden. Warum haben die Männer nicht versucht, Dorothy zu helfen? Und warum kann ein so verletzter Hund so weit laufen? Und warum blieb sie nirgendwo in den 1000 Weinsträuchern mit ihrer Leine hängen? Rätsel über Rätsel. Womöglich verfängt sie sich dann doch noch ausgerechnet da, wo sie niemand finden kann und verendet kläglich. Immerhin waren mittlerweile vier Stunden vergangen… Dann wäre der Totenschädel tatsächlich ein böses Omen gewesen!

Ich war nun so genervt von der scheinbaren Gemütlichkeit von Maria und dem Jungen, daß ich sie noch eine Weile weiterfahren ließ, und machte stattdessen selbst noch eine Tour mit dem Rad, noch mal in den Wald und zwar richtig hinein. Das hielt ich für effektiver, als nur im Auto daran vorbeizufahren. Leider umsonst. Wie soll man hier auch eine tarnfarbene Hündin finden? Sie kann praktisch überall sein. Und wenn ich sie finden würde? Würde ich sie tragen? Würde sie sich anfassen lassen? Völlig entmutigt und ermattet kehrte ich zur Perrera zurück, wo bereits Pedro und zwei andere Spanier, die in der Organisation helfen, waren. Es war 18.40 Uhr. Wir hatten fast sechs Stunden nach ihr gesucht.
Und ich wollte noch Essen einkaufen, also trat ich den Heimweg an. Nazaret rief kurz vor dem Flug noch an und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, Dorothy käme bestimmt bald von selber zurück. Die Gute, woher nahm sie diese Zuversicht? Ich konnte jedoch nicht daran glauben…
Aber die Hoffnung gab ich nicht auf…


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#7

RE: Perreratagebuch 11.-22.3.2013

in Neuigkeiten rund um die Perrera 23.08.2013 22:25
von ElRefugio2005 | 4.009 Beiträge

Donnerstag, 21.3.
Ca.8.30 Uhr
Wetter: warm, sonnig, schön

Ich sprang heute so schnell und früh wie möglich auf das Fahrrad, um wieder einige Runden zu drehen, um nach Dorothy zu schauen. Zu dumm, daß das ausgerechnet mir passieren mußte mit Dorothy. Ich, die ich doch extra hergekommen war, um zu helfen, nicht, um noch mehr Arbeit bzw. Kummer zu bereiten und auch noch verantwortlich zu sein, daß ein Hund weg und auch noch verletzt war. Noch dazu, wo Dorothy schon eine Pflegestelle in Berlin in Aussicht hatte! Ich fühlte mich verantwortlich, auch wenn Nazaret mir das ausreden wollte. Und trotz meiner langjährigen Hundeerfahrung, konnte ich natürlich nicht voraussehen, daß sich die beiden Hunde so verhalten würden. Leider muß man quasi immer mit so etwas Ähnlichem rechnen, wenn man mehrere Hunde, die sich im Grunde nicht kennen, auf einem Haufen hat. Soll man sie deswegen nur allein rauslassen? Keinen Sozialkontakt aus Sicherheit?
Trotzdem, ich fühlte mich elend. Es reicht ja schon, daß ein Hund überhaupt weggelaufen war. Dazu dann aber ausgerechnet noch so schwer verletzt…Würde sie frieren in der Nacht? Eine starke Wunde kann ja auch schnell zu Infektionen und evtl. Fieber führen. Oder kann sie auch verblutet sein? Womöglich war ihre Halsschlagader ebenfalls betroffen. Was macht sie ohne Wasser, nachdem sie so viel gelaufen ist? Ausgerechnet diese stoisch wirkende, liebe und friedliche Hündin. Allerdings war sie auch sehr tough, vielleicht hat sie ja eine Chance…

Nazaret meldet sich aus England, um zu hören, wie es mir geht. Von Maria weiß sie, daß Dorothy noch nicht wieder zu Hause ist. Nett. Nazaret ist so aufmerksam, hat so viele Dinge und Themen im Blick und das alles ganz nebenbei neben einem Volltimejob, der viel mit Reisen und Präsenz zu tun hat! Erstaunlich!

Ich drehe heut die üblichen Runden, immer wieder von der Hoffnung getrieben, doch irgendwo eine hängengebliebene oder vor Erschöpfung liegengebliebene Galga zu finden, die sich über unser Kommen freut. Aber – nada! Die anderen Hunde sind allerdings sehr aufgeregt und schnüffeln intensiv an der verbliebenen riesigen Blutlache, die natürlich mittlerweile getrocknet ist. Dana ist kaum davon zu lösen…Arme Dorothy, hoffentlich schaffst du es!

Freitag, 22.3. Tag meiner Abreise am Nachmittag
Ca.8.30 Uhr
Wetter: sonnig, windig, ca. 20 Grad
Heute war natürlich in zweierlei Hinsicht Abschiedsstimmung. Einerseits war meine Urlaubszeit hier und heute beendet und ich mußte gegen 15 Uhr auf zum Flughafen. Andererseits mußte ich mich wohl von dem Gedanken lösen, noch irgendetwas für Dorothy tun zu können. Das war schon schwer genug, mit dem Gefühl wieder nach Deutschland zu reisen.
Ich machte so gewissenhaft wie möglich bei allen Hunden sauber, knuddelte alle extra viel, machte noch Fotos und Videos und nahm die üblichen Gruppentouren auf. Die Gruppe mit Gringo nahm ich meist zuerst, weil sie dann später nicht so viel kläfften, wenn sie müde in den Zellen lagen und weil sie sehr ungeduldig waren, wenn man in die Perrera kam.
Ich hatte gerade alle vier Hunde durch das Haupttor gelassen, da tollten sie wild aber leise und zielsicher herum. Die meisten machten dort direkt vor der Tür ihr Geschäft – eben doch saubere Hunde, die nicht ihren eigenen Garten beschmutzen wollen!
Plötzlich schienen es fünf Hunde zu sein, ein leichtes Gewusel entstand, aus dem ich nicht sofort schlau wurde und plötzlich huschte sie um die Ecke: Dorothy. Total verstört, jedoch sehr zielsicher trappte sie in die Perrera, ließ sich sofort anfassen und äußerst bereitwillig in ihre Zelle bringen. Das wäre noch vor zwei Tagen nicht möglich gewesen. Sie hasste es, in die Zelle zu müssen und ließ sich meist nur mit Schieben hineinbringen. Selbst dann ließ sie noch unwillig mindestens eine Pfote vor der Schwelle und sträubte sich.
Nun war sie wieder da!!! Welch ein Abschiedsgeschenk, ich konnte es nicht glauben, obwohl ich zugab, daß ich es sehr gehofft hatte. Sie war tatsächlich am Leben und hatte zu uns zurückgefunden. Sie hatte ihr Halsband noch um, von der Zippleine war nur noch eine kurze Strippe übrig. Gott sei Dank! Die anderen Hunde sperrte ich auch sofort wieder ein, auch wenn sie sichtlich enttäuscht waren. Es tat mir sehr leid, daß ich sie um den letzten Tagesausflug gebracht hatte. Aber die Verletzte ging nun mal vor!
Ich gab ihr zunächst Wasser und bot ihr Futter an, doch sie trank nur ein wenig.
Ihre Wunden sahen schrecklich aus und waren noch tiefer als ich gedacht hatte. Am Hals auf der rechten Seite klaffte ein zefetztes Etwas von ca. 30 cm Länge und 15 cm Breite. Die Haut war inzwischen dunkelbraun und schwarz, einige Haut- bzw. Fleischlappen hingen in Fetzen herunter. Es roch nach Eiter bzw. Verwesung. Die an der Flanke blutete noch immer hellrot. Es sah sehr bedrohlich aus. Ich nahm Verbandszeug und sterile Tücher, um die Wunden zu verbinden. Schließlich war es in den Zellen auch nicht nur sauber…Dann zog ich ihr noch einen Mantel um, sie schien zu frieren – oder war es Zittern vor Schmerz? Sie legte sich sofort in ihr Körbchen.
Nun hieß es schnell und effektiv sein. Ich rief sofort Nazaret in London an, die nicht zu erreichen war – klar, sie war ja am Arbeiten! Ich hatte Marias Nummer nicht, noch die von Nazarets Eltern und ich hatte nur ein Fahrrad, 2km zum Ort, wo auch die teure Tierärztin war. Also fuhr ich so schnell wie möglich zu Nazarets Mutter, in der Hoffnung sie anzutreffen, damit sie mit dem Auto mitkam. Mein Plan war zunächst, Dorothy zur Tierärztin zu bringen und selbständig verarzten zu lassen. Die Kosten wollte ich übernehmen, schließlich war es ja auch irgendwie meine Schuld… Nazarets Mutter war nicht da! Ich also wieder zurück in die Perrera, Dorothy versorgen. Was tun?
Zum Glück rief Nazaret an, als ich gerade wieder in der Perrera eingetroffen war. Sie ordnete alles blitzschnell so, daß Maria bald kam. Ich konnte genug verständlich machen, daß es sehr ernst war mit Dorothys Verletzungen. In der Wartezeit führte ich trotzdem noch Ambar aus, damit wenigstens einer der Hunde noch rauskam. Maria hatte gleich noch einen Tierheimhund mitgebracht, der am Auge behandelt werden sollte – ich glaube aus Albacete, der Nachbarstadt. Effektives Planen, in jeder Situation. Klasse!
Dummerweise war es auch ein großer Hund und beide paßten unmöglich mit Box auf die Rückbank…Wir quetschten ihn in die Box, während es sowieso besser war, Dorothy mehr Platz anzubieten. Sie verdrückte sich allerdings freiwillig buchstäblich in den Fußraum hinter dem Fahrersitz. Es sah nicht sehr gesund aus…
Maria gab Vollgas und so erreichten wir die Tierärztin, die bereits Bescheid wußte, in 45min. Wir konnten direkt vor der Tür parken und landeten gleich von der Straße im Behandlungszimmer. Die Spanier kennen scheinbar keinen Hausflur bzw. Eingangsbereich…

Als die Ärztin Dorothy sah, mußte sie auch ganz schön schlucken. „Madre mia“ entglitt es ihr viele Male. Sie war sehr nett und wir beide konnten uns ein wenig auf Italienisch verständigen, über das, was passiert war. Und sie erklärte mir auch netterweise, was sie machen würde.
Dorothys Wunde am Hals war abgestorbene Haut. Sie wusch alles aus, entfernte die tote Haut mit einem Skalpell. Ich halte mich schon für hartgesotten, aber das konnte selbst ich nicht mit ansehen, wie sie da an der offenen Wunde herumschabte. Mir ging das durch Mark und Bein. Maria hingegen schaute genau zu, scheinbar haben die hier eine andere Mentalität und lassen die Gefühle der anderen nicht so nahe an sich rankommen, obwohl sie sicher auch empathisch mitfühlen. Das ermöglicht ihnen etwas mehr Entspannung oder Gelassenheit. So deute ich das zumindest!

Dorothy regt sich nicht bei dem Abschaben, als die Ärztin hingegen die hintere Wunde auswaschen will, schreit sich doch auf. Komisch, daß die immer noch triefend blutet nach zwei Tagen! Die Ärztin macht nicht viel. Die Situation ist sehr ernst, denn es ist bereits viel entzündet, nun muß man abwarten, wie es ihr übers Wochenende ergehen wird. Dorothy bekommt Antibiotika und eine Heilsalbe auf die offenen Stellen, am Montag soll sie wiederkommen. Es kann nicht genäht werden, weil zu viel abgestorbene oder noch absterbende Haut drum herum ist. Außerdem sind die Muskeln an der Schulter entzündet. Die Wunden sollen offen bleiben. Ich kann das kaum glauben. Die arme Hündin kann sich doch so gar nicht hinlegen und Dreck kommt auch rein. Aber nein! Es soll „rauswachsen“ und Luft soll ran. „Sie wird schon wissen was sie tut“, dachte ich. Dennoch würde man in Deutschland nie eine solche Wunde ohne Verband entlassen…
Auf dem Heimweg blutete Dorothy nun das ganze Auto voll, wo sie lag. Oh Mann!
Sie sollte eine neue Unterkunft haben: ein Hinterhof von einer Verwandten von Nazaret, die wohl gerade nicht da war. Dort war sie allein und in unmittelbarer Nähe zu Nazarets Haus. Dort war es nicht gerade sauber, und kalt war es auch, fand ich – und – nur Beton! Naja. Deutsche Ansprüche…Wir bauten ihr ein kuscheliges Bett, stellten ihr Wasser und Futter direkt vor die Nase, welches sie dankbar fraß. Ein zweites Körbchen wurde auf meine Empfehlung in die Sonne gestellt, da konnte sie, wenn sie wollte, etwas Wärme und Vitamin D tanken, was ja nicht ganz unwichtig ist bei Wundheilung!
Alle, die mithalfen, waren entsetzt und gleichermaßen fasziniert von der Größe und Tiefe der Wunden und machten gleich alle mehrere Fotos. Armer Hund, aber klar, so etwas löst Voyeurismus aus und in diesem Falle ist das ja auch nicht schlimm, bzw. schadet der Verletzten nicht.
Die kleine sonst sehr freche Hündin von Nazaret war auch mit. Sie war unerwartet still und total verschüchtert und duckte sich ängstlich auf den Boden, wenn man sich ihr nähern wollte. Sie schien ganz entsetzt von dem Blut und der Verletzten zu sein, denn sie wollte gar nicht näher kommen. Wie auch Tiere unterschiedlich empathisch reagieren. ..Arme Lua! Sie verhielt sich, als wäre sie auf dem Weg zur Schlachtbank…Und arme, arme Dorothy. So schrecklich, was Chica mit dir gemacht hat und das binnen weniger Minuten! Ich muß mich erstmal davon erholen. Die Leute hier scheinen das alles optimistischer zu sehen, deshalb sind sie mir wahrscheinlich auch nicht böse und weisen mir keine Schuld zu. „Das passiert“, war die Antwort…Sehr nett. In Deutschland wäre ich schon längst für unfähig erklärt worden, überhaupt mit Hunden umzugehen.

Puh, nun wurde doch noch alles gut und ich konnte relativ entspannt nach Hause fliegen. Fest steht: Ich komme wieder!

Im Flugzeug konnte ich noch ein wenig über alles nachdenken, auch wenn mich meine Flugangst etwas in Schach hielt.
Die Menschen in der Gegend von La Mancha leben hauptsächlich von Tierfabriken, was mir als Veganerin natürlich nicht gefällt. Und obwohl der Freund von Nazaret eine Hühnerfarm betreibt, sind sie beide doch der veganen Ernährung gegenüber sehr aufgeschlossen. Vor allem sind es hier aber alles sehr nette, hilfsbereite und gastfreundliche Menschen, die meinen vollen Respekt verdienen, unabhängig von der beruflichen Situation. Die meisten arbeiten in Hühnerfarmen, Schweine- oder Kaninchenmastanlagen, Champignonfarmen oder natürlich im Weingewerbe für ca. 1000,- Euro im Monat. Wo man auch hinguckt in diese weite Landschaft, sieht man überall diese Fabriken.
Und sie haben hier im Ort keine Gärten mit Pflanzen, Grün oder Gras, sondern Hinterhöfe mit Beton. Überall nur Beton. Und genau da leben auch die Hunde. Dort verweilen sie während Herrchen arbeitet. Manchmal auch auf dem Balkon oder der Dachterrasse, das ist hier normal. Oder sie haben einen Extra-Auslauf an so einer Tierfabrik. Dort gibt es meistens Hunde. Überall wird man angebellt, erwartungsvoll angeguckt oder trifft Hunde auf der Straße, die von Herrchen zum Pinkeln auf die Straße rausgeschickt werden. Die Leute mögen zwar nicht, daß die Hunde eventuell überall hinmachen, die einzigen Grünstellen – angelegte Parks – sind sogar für Hunde verboten, aber niemand kümmert sich um die Hunde. Überhaupt wundert es mich, daß es doch an vielen Stellen immer noch dreckig und heruntergekommen wirkt – was natürlich auch die vielen baufälligen Häuser ausmachen. Schließlich gibt es an jeder Straßenecke große Sammelmüllboxen, die jeden Tag – angeblich auch sonntags – geleert werden.
Sie sammeln auch die Tetrapacks und Plastikflaschen an öffentlichen Recyclingtonnen. Trotzdem liegt überall noch Müll in der Natur, in den Straßen. Ebenso Bauschutt- alte Häuser oder Höfe werden einfach so stehen gelassen und verfallen – kein schöner Anblick!
Das Ganze erklärt ein bißchen mehr den Hintergrund der Hunde, wo sie herkommen, was sie gewohnt sind, womit sie aufwachsen. Allein, daß sie oft ihr Leben auf Beton fristen – für die Spanier ganz selbstverständlich, wo sie doch selbst auch kein Grün haben, nicht mal eine Hofeinfahrt. Alles nur Stahl und Beton. Zumindest in der Stadt!

Zurück zu den Hunden:
Ich bin nach wie vor fasziniert von ihrem Wesen, ihren Schicksalen und ihrem Verhalten. Es ist so erstaunlich, wie sie mit der Situation umgehen, daß sie fremde Menschen wie mich so selbstverständlich akzeptieren und als Führer anerkennen. Daß sie es so lange aushalten in der Betonperrera, ohne größere psychische Defekte zu erleiden. Bis auf manche wie Ambar, die seit zwei Jahren unter dem Eingesperrtsein und der engen Zelle leidet. Sie beißt sich in den Schwanz, bis eine blutige Kruste entsteht. Trotzdem ist sie irgendwie fröhlich und sobald sie draußen sein kann, sofort entspannt. Andere haben Probleme mit der Haut - wegen der eigenen Exkremente oder der Holzspäne. Wieder andere haben tränende Augen und durchweg alle haben weichen Stuhlgang oder Durchfall, wahrscheinlich wegen des Chlorwassers oder der stressigen Situation?
Viele Hunde wollen nicht in ihre Zellen machen und sind deshalb gestresst, wenn sie nicht rauskommen, so wie Milon, Rati, Max, Ambar, Chica, Nelson. Andere machen in ihre Plastikkörbe oder überall in die Zelle. Und das über mehrere Monate. Das mögen natürlich die Hunde auch nicht und ich staune zwar, daß sie danach doch so schnell stubenrein werden, aber irgendwie ist es ja auch verständlich. Rein sein – das ist die Normalität! Die Hunde tun mir so leid. Einige finden sich stumm damit ab, in so einer Zelle zu sitzen, wie Milon, Africa, Rati, sie legen sich in ihre Körbchen und harren still aus. Andere flüchten sich ins Futter – Pocholo, wieder andere kläffen und wühlen in ihrer Zelle herum - Pescadilla, Nelson, Kash, Barajas, Gringo.
Aber was müssen die fühlen, die vorher in Freiheit gelebt haben und nun auf einen einzigen kurzen Auslauf in Sonne und Luft und Gesellschaft pro Tag angewiesen sind? Was müssen die empfinden, die vorher ein (schönes?) Zuhause hatten und – wie meistens – einfach abgeschoben werden?
Wie kommen so überaus liebe und ruhige Hunde wie Africa oder Kash dorthin? Was denkt/fühlt/empfindet derjenige, der sie dorthin abschiebt? Weiß er, was den Hund dort erwartet? Sicher. Noch vor kurzem wurden die Perreras dafür verwendet, Hunde einzusammeln und zu töten. Das weiß natürlich jeder Spanier und es ist ihnen zum großen Teil egal. Auch das ist normal. Mittlerweile gibt es aber (sogar!) Jäger, die den Hunden, die sie loswerden wollen, Asyl gewähren und sogar Tierarzt und Futter bezahlen, so lange, bis sie vermittelt sind.
Aber auf der anderen Seite verstehe ich die Mentalität der Spanier in Bezug auf Tiere trotzdem nicht. Nehmen wir Nazarets Familie: Wenn sie auch noch so tierschutzengagiert sind mit den Hunden: die sehr erbärmlich aussehende Katze auf dem Balkon soll fortgeschickt werden, die Schildkröte bleibt ihr ganzes armseliges Leben lang in der nackten Plastikwanne und sie betreiben eine Hühnerfarm, bzw. die Eltern von Nazaret eine Kaninchenfarm und ein paare Hühner im kahlen betonierten Hinterhof, wo so wenig natürliches Leben vorherrscht… Das finde ich traurig, v.a. auch unter dem Aspekt, daß es so normal scheint. Alle halten sich irgendwie Tiere, aber nicht unbedingt unter tierwürdigen Verhältnissen. Naja, das ist in Deutschland größtenteils nicht viel anders.
Aber es gibt eben doch ein paar Lichtblicke in dieser rauhen Welt, wie z.B. die sehr zeitintensive ehrenamtliche Arbeit von Nazaret, Maria und einigen anderen Helfern. Hier noch mal ein großes Lob an die stetige Zuversicht, die Ausdauer, die Energie, die tolle und sehr schnelle Vernetzung untereinander, die Gastfreundschaft und den wahnsinnig großen Optimismus! Das hilft nicht nur mir als teilweise frustrierter Helferin, sondern v.a. den Hunden!!!
Danke an Nazaret, Maria, Gorgo, Karin u.v.a.!
Ich komme gerne wieder und tu alles Erdenkliche, damit wir den Tierschutz ein bißchen mehr etablieren und so vielen Hunden wie möglich zu einem besseren Leben verhelfen können!


Wie ich einige Tage später erfahren konnte, hat sich Dorothy schon etwas erholt, sie ist also über den Berg! Die Wunden verheilen schnell und bald können die restlichen Behandlungen beginnen. Was für ein Hund! Wieviel Kraft muß so ein Tier haben? Ich hätte nie gedacht, daß sie das überhaupt übersteht. Hunde sind eben zäh! Und schon 3 Wochen später war Dorothy in ihrer Gastfamilie in Deutschland angekommen, wo es ihr gutgeht! All die Mühe, all die Pflege hat sich wie man sieht gelohnt – und das ist die schönste Belohnung, die man bekommen kann, finde ich!

Mit herzlichen Grüßen,
Sonja Heiermann

www.sonisuette.de




Ich freue mich schon riesig auf die Fortsetzung - denn:
Sonja war grad wieder bei unseren Hunden in der Perrera von Villamalea


Grüße von der Flitzewiese
in memoriam

Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.



www.nothunde-la-mancha.com
www.initiative-villamalea-perrera.com



www.calyptus.de
www.birdland-bonn.de
www.kokg.de

zuletzt bearbeitet 24.08.2013 12:15 | nach oben springen


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